Es gibt zu wenig Akademiker, Meister und Techniker – der aktuelle OECD-Bildungsbericht beklagt wieder einmal die geringe Quote an Hochqualifizierten in Deutschland. Dabei übersehen die Experten jedoch: Wer eine gute berufliche Ausbildung hat, ist für innovative Firmen ebenso interessant wie Uni-Absolventen.
In ihrer Studie „Bildung auf einen Blick“ schlägt die OECD Alarm, weil Deutschland im internationalen Vergleich relativ wenig Hochqualifizierte hat und gegenüber anderen Ländern weiter zurückfällt. So beträgt die Hochschulabsolventenquote in Deutschland 29 Prozent – das bedeutet Platz 23 der 27 verglichenen OECD-Länder. Doch wichtiger als ein Diplom, Master oder Bachelor sind die Kompetenzen eines jeden Einzelnen – und die werden nicht erst an der Uni erworben:
Untersuchungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zeigen, dass im PISA-Test drei Viertel der 15-jährigen Realschüler und ein Drittel der Hauptschüler in Deutschland das Maß an Kompetenzen übertreffen, das spätere Studienanfänger in den USA mindestens erreichen.
Die OECD-Experten vernachlässigen zudem eine wichtige Eigenart des deutschen Bildungssystems: die duale Berufsausbildung. Und gerade auf diesem Feld schneidet Deutschland – zusammen mit der Schweiz und Österreich – weltweit am besten ab. Die Unternehmen wissen das zu schätzen, wie eine Befragung durch das IW Köln zeigt (Grafik):
Für innovative Firmen sind Absolventen der sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) bedeutsam – egal, ob sie nun von der Uni oder der Berufsschule kommen.
Auf Nicht-Akademiker setzen vor allem Unternehmen, die neue Produkte oder Dienstleistungen auf den Markt bringen, ohne selbst in der Forschung und Entwicklung aktiv zu sein – das trifft auf rund 40 Prozent aller innovativen Firmen in Deutschland zu. Je mehr die Unternehmen eigene Forschungen und Entwicklungen vorantreiben, desto eher brauchen sie auch Akademiker.
Und noch etwas lässt die OECD-Studie außer Acht: Die Zahl der Hochschulabsolventen ist in Deutschland gerade in den vergangenen Jahren stärker gestiegen als in den meisten anderen Ländern.
Im Jahr 2005 machten 207.900 Studenten erstmals einen Abschluss an der Hochschule, 2009 waren es laut Statistischem Bundesamt 288.900 – also fast 40 Prozent mehr.
Die OECD-Datenbank spuckt mit knapp 70 Prozent sogar einen noch größeren Zuwachs aus, weil sie auch Zweitabschlüsse mitzählt, also etwa den Master nach dem Bachelor. Von den OECD-Staaten kann nur Tschechien mit 94 Prozent eine größere Dynamik bei den Hochschulabschlüssen verzeichnen. Große Industrienationen wie die USA (plus 12 Prozent), Kanada (plus 12 Prozent), Japan (plus 4 Prozent) und Frankreich (minus 11 Prozent) schneiden deutlich schlechter ab.
In einem haben die OECD-Experten allerdings recht: Angesichts der Arbeitskräfteengpässe und der demografischen Entwicklung muss sich Deutschland noch deutlich mehr anstrengen, um genügend technisch-naturwissenschaftliche Akademiker wie Ingenieure oder Informatiker hervorzubringen. Denn gemessen an der Nachfrage bilden die Hochschulen Jahr für Jahr etwa 15.000 bis 20.000 MINTler zu wenig aus.